6. August 2013

Von El Salvador via New York bis nach China

Sechs neue CDs und einmal Vinyl aus Bremer Produktionen

Von Christian Emigholz

Bremen. Bremer Plattenlabels und Musiker haben einige neue spannende Alben veröffentlicht. Das Ungewöhnlichste stammt von einem alten Bekannten aus der Bremer Jazzszene, Achim Gätjen. Der ehemalige Kopf der literarisch ambitionierten, schrägen Jazzband Swim Two Birds hat mit Les Rabiates schon seit längerem eine neue, deutlich kleinere Band. Ungewöhnlich sind gleich mehrere Faktoren bei „Destination Unknown“ (6 Tracks, 23 Minuten, Fuego): Zum einen haben Les Rabiates einen Wandel vollzogen, denn Jazz lautet jetzt nicht mehr der Oberbegriff sondern rumpelig-raue Songwriter-Musik mit gewisser Nähe zu Cash und Cave; außerdem singt Achim Gätjen – mit dunklem Timbre – nun auch, und hat mit der spanischen Sängerin CaLi eine weitere interessante Stimme aufgetan. Drittens handelt es sich um ein 180 g schweres Vinyl-Album, das man früher Maxi-Single genannt hätte, denn die Laufgeschwindigkeit beträgt 45 UpM. Wer keinen Plattenspieler mehr hat – obwohl die Tendenz von Vinyl wieder steigend ist – kann das spannende Mini-Album auch als mp3-Download bekommen.

Das Bremer Label Jaro hat gleich drei neue CDs veröffentlicht. Da ist zum einen eines des alten Zugpferdes Bulgarian Voices Angelite. Nach zehnjähriger Pause veröffentlicht der Frauenchor mit den geheimnisvollen Stimmen nun mit „Angelina“ (13 Tracks, 45 Minuten) eine neue CD, die in gewisser Weise wieder an die Frühzeit des Chores anknüpft: Hier wird nämlich wieder traditionelle bulgarische Folklore mit Stücken kombiniert, die speziell für den Chor komponiert worden sind. Außerdem ist wieder ein kleines Instrumental-Ensemble dabei. Die zweite Veröffentlichung stammt von der wilden New Yorker Crew Red Baraat. Die Band um den Trommler Sunny Jain klingt auf ihrer zweiten CD „Shruggy Ji“ (13 Tracks, 60 Minuten) noch ein wenig überzeugender als auf ihrem Debüt. Die bläserlastige Truppe führt einen wilden Sound-Mix aus Marching Band, indischen Bhangra-Grooves, HipHop und Funk vor. In eine völlig andere Richtung geht der dritte Streich. Die Dawanggang kommt aus China, zum Quintett gehören aber auch ein mongolischer Musiker und eine Sängerin aus Indien. „Huang Qiang Zou Band“ (10 Tracks, 59 Minuten) heißt die CD, was soviel wie „Wilde Töne, verirrte Rhythmen“ bedeutet. Kopf des Unternehmens ist der Gitarrist und Sänger Song Yuhze, der schon diverse Bands betrieben hat. Hier kombiniert er unterschiedlichste Einflüsse von dem deklamatorischen Gesang der Peking-Oper bis zu mongolischem Kehlgesang und monodischen tibetischen Motiven zu einer insgesamt kunterbunten Folklore-Mischung, bei der auch schon mal die Vögel zwitschern dürfen.

Eigenwillig ist auch der ehemalige Bremer, seit längerem in El Salvador lebende Musiker Harry Payuta. Der Bassist erforscht schon seit langem die indische Sitar, allerdings nicht unter den Prämissen klassischer indischer Musik. Auf „Between a rock and a hard place“ (17 Tracks, 66 Minuten, Tribal Stomp Records) ist Payuta nun nicht nur auf der Sitar, sondern auch auf Gitarre und Bass sowie als Sänger zu hören. Musiker aus El Salvador sowie der Bremer Gitarrist Nob Wesch ergänzen die Band. Die Musik rockt ordentlich, gleichgültig, ob nun die Sitar energisch flirrt oder die Gitarre brettert.

Nicht ganz soweit von El Salvador ist auch die Pianistin Marialy Pacheco ursprünglich zuhause, nämlich auf Kuba. Sie hat einige Zeit in Bremen gelebt und hier auch eigene CDs aufgenommen, war zuletzt bei der Messe Jazzahead zu hören. Auf „Vetana al verano“ (13 Tracks, 54 Minuten, Wonderland Records) spielt Marialy Pacheco, oft im Duo mit dem Kontrabassisten David Jehn, aber nicht ihre eigene Musik sondern Kompositionen von Ingo Höricht. Der Bremer Musiker und Bandleader hat mit dem Schné Ensemble und Mellow Melange eigene Bands, für die er auch komponiert. Anders als in Marialy Pachecos eigener Musik, in der immer auch kubanisches Feuer steckt, ist dies ein überwiegend balladeskes Album im ruhigen Tempo mit fragilen Jazzanklängen und schönen Themen.

Das Piano steht auch bei Triosence im Mittelpunkt. Das Trio des Neubremers und Pianisten Bernhard Schüler existiert bereits im vierzehnten Jahr. Entsprechend eingespielt präsentiert sich die Jazzformation auf ihrem fünften Album „Turning Points“ (14 Tracks, 70 Minuten, Sony), selbst wenn mal der Bass vom Stammbassisten Matthias Nowak, mal von Ingo Senst gezupft wird. Bernhard Schüler, der alle Stücke – bis auf den Weill-Standard „Speak Low“ – geschrieben hat, erfindet immer wieder poetisch fließende Themen und elegante Melodien. Das Trio spielt ausgesprochen sensibel auf, kann aber bei Bedarf auch kraftvoll zupackend agieren.

Posted by in News and tagged as